Finale, ooohoo, Finale…

Im Rahmen der Deutschen Jahrgangsmeisterschaften sorgen die 1.600 Teilnehmer aus mehr als 300 Vereinen nicht nur 5 Tage lang für eine prallgefüllte Europaschwimmhalle, sondern neben guter Stimmung insbesondere in den Finalabschnitten auch für Top-Leistungen, geht es doch für die Besten unter ihnen neben den Medaillenplätzen auch noch um die Qualifikation für die Jugendwelt-meisterschaften in Indianapolis (USA). Für die 10 Ingolstädter Aktiven hingegen ist das Hauptziel mit der Teilnahmequalifikation bereits schon vor Wettkampfbeginn erreicht, so dass es eigentlich nur noch darum geht, die persönlichen Bestzeiten beim Saisonhöhepunkt zu toppen und sich so teuer wie möglich zu verkaufen…

Delphine bei den Deutschen Jahrgangsmeisterschaften 2017
Delphine bei den Deutschen Jahrgangsmeisterschaften 2017

 1. Wettkampftag:

Nach Anreise am Vortag greifen auch die ersten Delphine ins Geschehen ein, u.a. auch Emma Weiß (2004), die über 100m Brust ihr Wettkampfdebüt auf nationaler Ebene gibt. Nach starken ersten 50m, verlassen sie am Ende zwar etwas die Kräfte, dennoch gelingt ihr in 1:19,83 erstmalig der Sprung unter die 80-Sek.-Marke. Zudem steigt dank des guten Ergebnisses die Hoffnung auf den Finaleinzug auf ihrer Hauptstrecke, den 50m Brust am Mittwoch.

Über die 100m Freistil gehen an diesem Tag zudem das Geschwisterpaar Larissa und Fabian Heinemann (2003 bzw. 2001) sowie der noch für Mittelfranken startende, aber mittlerweile wieder in Ingolstadt trainierende Andreas Rein (1999) an den Start. In 30,01 lässt Larissa es fast etwas zu ruhig angehen, kann dank gutem Endspurt ihre persönliche Bestzeit aber doch noch um gut 2 Zehntelsekunden auf 1:01,77 drücken. Anders ihr Bruder Fabian, der etwas übermotiviert das Rennen angeht, mit sehr hoher Frequenz das Wasser aber nie richtig zu fassen bekommt und sich letztendlich mit der „nur“ drittbesten je geschwommenen Zeit zufrieden geben muss.

Bei Morgenmuffel Reini hingegen ist keinerlei Nervosität zu spüren – ganz im Gegenteil, Trainer Sascha Kuhls befürchtet eher, dass er das Rennen vollends verschläft. In 0:53,04 gelingt ihm dann aber doch ein ganz ordentliches Rennen und damit auch die direkte Qualifikation für das Finale der 8 besten seines Jahrgangs. Nach fast zu umfangreicher Mittagsmahlzeit und für ihn ungewöhnlich vielen Einschwimm-metern geht Reini schließlich um ca. 17.45 Uhr gut erholt in sein Finale. Bereits auf den ersten 50m
4 Zehntelsekunden schneller als am Vormittag, kann er auch auf der zweiten Bahn das hohe Tempo lange halten und schlägt am Ende in für ihn in aktuell guten 0:52,42 an – gleichbedeutend mit Platz 6 des Jahrgangs 1999.

 2. Wettkampftag:

Heute stehen für die Sprinter die 50m Schmetterling auf dem Plan, d.h. neben Reini greifen auch Jonas Drieling (2001) und Olivia Gerrard (2000) ins Wettkampfgeschehen ein. Als erste geht Olivia an den Start, der ihr jedoch leider ziemlich misslingt, so dass sie bereits nach der Tauchphase einigen Zentimetern Rückstand hinterherschwimmt. Als Olivia dies merkt, verliert sie mit ihrem Mut auch den Rhythmus und kommt letztendlich nicht an ihre Qualifikations- und Bestzeit von 0:29,79 heran. Jetzt heißt es das Rennen abhaken und auf den nächsten Start konzentrieren, darf sie doch nach nur knapp 30 Minuten Pause ihr Glück auf der 200m Rückendistanz suchen.

In der Zwischenzeit steht Jonas auf dem Block. Mit dem Startsignal explodiert er förmlich und katapultiert sich mit seinen Delphinkicks an die Spitze des Feldes. Doch auch wenn er bei 25m noch knapp in Führung liegt, hat Trainer Sascha Kuhls bereits erkannt, dass Jonas nicht wirklich ins „Rutschen“ kommt. Beim Anschlag leuchten 0:26,64 auf der Anzeige – zwar Einstellung der persönlichen Bestzeit, aber da war definitiv mehr drin! Reini ist der nächste, doch auch er findet nicht ins Schwimmen und verpasst als 10. den Sprung ins Finale. Diagnose des Trainers: zu wenig eingeschwommen! Die Jungs akzeptieren und geloben Besserung.

Nun hat die 14-jährige Maria Kapfer über 200m Rücken ihr Debüt auf nationaler Ebene. Bekanntermaßen gehört der Start nicht zu ihren Stärken, was sie allgemein aber auch nicht aus der Ruhe bringt. Anders dieses Mal, versucht sie doch mit nahezu maximaler Frequenz bereits auf den ersten 50m den Rückstand zu kompensieren. Nach sehr schnellen 0:35,22 auf der ersten Bahn, hat sie jedoch leider frühzeitig das Pulver verschossen, kämpft sich aber dennoch bravurös ins Ziel. Natürlich kann Maria ihre persönliche Bestzeit nicht mehr erreichen, aber insbesondere für sie gilt als Spätstarterin, die erst vor 1 ½ Jahren zum Leistungs-sport gekommen ist, das olympische Prinzip „Dabeisein ist Alles“ wie für keine andere!

 Als Olivia die Startbrücke für ihren zweiten Start betritt, ist ihr leider die Verunsicherung immer noch anzusehen – dies aber eigentlich ohne Grund, war doch gerade das Rücken im Training sehr gut gelaufen. Entsprechend findet sie auch schnell ihren Rhythmus, zieht ruhig und mit langen Zügen durch Wasser und wendet bei 100m in 1:12,75 knapp eine halbe Sekunde unter der Durchgangszeit ihrer persönlichen Bestleistung. Selbst bei 150m sieht das Schwimmen immer noch entspannt aus, so dass sich der Trainer auf den Endspurt freut, doch dieser bleibt aus. Am Ende bleibt Olivia zwar einmal mehr unter der magischen 2:30, aber die Enttäuschung ist gewaltig. Schließlich war so viel mehr möglich, sagt sie nach dem Rennen doch selbst: „Ich dachte nach den 50 Schmett geht eh nichts mehr, habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass der Schmerz kommt. Der kam aber nicht und auf einmal war ich schon im Ziel, ohne echt Anstrengung, ohne richtige Quälerei!“

 Am Nachmittag ist schließlich auch für Sara Krönert (2005), das Küken im Kreise der Ingolstädter, das Warten endlich beendet. Sie startet im sogenannten Schwimmmehrkampf (SMK), in dem neben 50m Beinarbeit und den 100- und 200m-Strecken in der Hauptlage – bei Sara ganz eindeutig Rücken – auch die 200m Lagen und die als erstes zu absolvierenden 400m Freistil auf dem Programm stehen, nicht gerade ihre Lieblingsstrecke. Und dann geht die Konkurrenz nach dem Start auch noch los wie die Feuerwehr. Doch Sara lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, hält sich an das vereinbarte Angangstempo und holt Bahn für Bahn auf. Bei 300m überholt sie schließlich die ersten Konkurrenten und lässt in sehr guten 4:55,88 am Ende einige deutlich stärker eingeschätzte Schwimmerinnen hinter sich; ein super Start in den Wettkampf!

 3. Wettkampftag:

Neuer Tag, neues Glück. Mittlerweile sind mit den Brustspezialisten Johanna Schmid und Raphael Mooser (beide 2001) auch die letzten Ingolstädter Athleten angereist. Doch der Wettkampf beginnt für die Donaustädter mit den 100m Rücken von Jonas. Deutlicher besser eingeschwommen, findet Jonas auch gut ins Rennen und darf sich im Ziel mit einer Leistungssteigerung von gut einer Sekunde in 1:02,21 über die neue Bestzeit freuen.

Als nächstes stehen die 50m Brust auf dem Programm, und damit auch der nächste Auftritt der 13-jährigen Emma. Dank einer super Startphase und einem beherzten Rennen lässt sie der direkten Konkurrenz in ihrem Lauf keine Chance und schlägt mit einer Steigerung von 4 Zehntelsekunden gegenüber ihrer Bestzeit in hervorragenden 0:35,54 an. Jetzt heißt es abwarten. Doch eine nach der anderen beißt sich die Zähne an dieser Vorgabe aus, das Finale ist bereits sicher. Am Ende zieht Emma tatsächlich als Viertplatzierte ins abendliche Jahrgangsfinale ein – ein Wahnsinnsergebnis!

Motiviert durch die Topleistung der jüngeren Kollegin, greifen nun Johanna und Raphael ins Geschehen ein.

Gleichwohl ist insbesondere Johanna die Nervosität und Anspannung deutlich anzumerken, schließlich ist der bereits 16-jährigen in diesem Jahr erstmalig die Qualifikation geglückt. Vielleicht legt sie deshalb mit einem verhaltenen Start los, ist dann aber in ihrem Element und sprintet die Bahn mit mittlerweile viel Routine. Doch dann der Anschlag – sie kommt nicht ganz hin, macht einen Zug mehr, anstatt sich lang zu machen. Die Hunderstel rennen dahin, die Uhr bleibt bei 0:35,37 stehen; genau die Qualizeit, aber leider halt auch nicht mehr. Aber Enttäuschung bedeutet das dennoch nicht: Platz 22 bei der ersten Teilnahme sind insbesondere im starken Jahrgang 2001 aller Ehren wert! Raphael möchte es trotzdem etwas besser machen; spekuliert auf das Finale. Dank guter Reaktionszeit und brutaler Tauchphase liegt er dann auch bei 15m klar in Front; doch auf der Außenbahn schwimmend und die Konkurrenz im Rücken, wählt er eine deutlich zu niedrige Frequenz für die Sprintstrecke, die Gegner kommen immer näher und ziehen kurz vor dem Ziel an ihm vorbei – schade, Finalchance vergeben.

Jetzt darf Sara wieder ran – 50m Rückenbeine, ihre heimliche Angstdisziplin, wird diese doch 3-fach bewertet und jeder Fehler fällt damit stärker ins Gewicht. Doch das Üben der letzten Wochen hat sich gelohnt. In 0:41,53 steigert Sara ihre Bestzeit um 2 Sekunden und wahrt damit ihre Chancen auf eine gute Gesamtplatzierung. Nur 20 Minuten später steht sie dann für die 100m Rücken wieder auf der Startbrücke – eine klare Missplanung des DSV’s bzw. der verantwortlichen Jugendnationaltrainerin. Aber es hilft nichts, da müssen alle durch, u.a. auch Lucie Mosdzien, das absolute Übertalent vom SV Halle / Saale. Doch dieser, direkt neben Sara schwimmenden Rückengranate scheint die Vorbelastung gar nichts auszumachen, „finished“ sie doch in 1:06,32 doch einfach mal kurz mit neuem Deutschen Altersklassenrekord. Sara hingegen, findet in den Wellen der Hallenserin schwimmend, insbesondere auf der ersten Bahn nicht richtig ins Rennen und muss sich im Ziel mit einer Zeit von 1:11,87 zufrieden geben.

 Und dann ist es tatsächlich soweit – gut ausgeruht und noch besser eingestellt steht Emma erneut auf dem Startblock, beim absoluten Höhepunkt ihrer noch jungen Sportler-Karriere, dem 50m Brustfinale bei den Deutschen Jahrgangsmeisterschaften. Und dennoch, kein Wackeln, kein Zögern. Das Startsignal und ab geht die Rakete. Bis gut 35m kann Emma den Kampf um die Medaillen tatsächlich offen gestalten und landet am Ende mit einer Wahnsinnszeit von 0:35,18 auch im Finale auf Platz 4. Doch während beim Blechmedaillenplatz bei den Süddeutschen noch Tränen flossen, ist sie nach dem Rennen ihres Lebens einfach nur grenzenlos glücklich – ein Tag den sie definitiv nie vergessen wird.

 4. Wettkampftag:

50m Freistil – Sprintertag! Larissa ist die erste, die dran ist. Und nach 2 Tagen Pause – außer natürlich die obligatorischen lockeren 2 km täglich – brennt das Feuer in ihr noch heller als vor dem ersten Start.
Die Körpersprache spricht jedenfalls Bände, alle Zeichen stehen auf Angriff. Vom Start weg ist Larissa voll da, zieht die 50m gnadenlos durch, einzig beim Anschlag geht der Kopf etwas zu früh in den Nacken. Die Anzeigetafel zeigt 0:28,02 – gut 3 Zehntel schneller als je zuvor. Und dennoch, als sie aus dem Wasser steigt, geht der Trainer in Deckung. „Ich wollte unter 28 schwimmen!“ zischt es ihm entgegen und Larissa verschwindet im Ausschwimmbecken.

Dann steht Jonas auf dem Block, der Körper ebenfalls zum Bersten angespannt. Nach gewohnt guter Tauchphase versucht er den hauchdünnen Vorsprung durch windmühlenartiges Vorschmeißen der Arme  ins Ziel zu retten. Am Ende wird er mit neuer Bestleistung von 0:25,11 Zweiter in seinem Lauf, gleichbedeutend mit Gesamtplatz 13 im starken Jahrgang 2001.

Als nächstes Reini, wie gewohnt um diese Tageszeit noch etwas lethargisch. Entsprechend absolviert er sein Rennen in 0:24,33 recht unspektakulär; aber andere sind auch noch müde und es reicht tatsächlich für das Finale im Abendabschnitt. Mittlerweile ist auch Larissa zurück: „Naja, war ja eigentlich doch nicht so schlecht?!?“, und zieht grinsend weiter.

Um 15.00 Uhr am Nachmittag steht dann Sara wieder parat, dieses Mal in der Hoffnung auf ihrer Hauptstrecke den 200m Rücken ein paar Punkte gut zu machen – allerdings sind ihre direkten Konkurrentinnen natürlich auch alle ausnahmslos Spezialistinnen in dieser Disziplin! Entsprechend probiert sie vom ersten Meter an alles, vielleicht sogar etwas zu viel. In 0:35,55 liegt sie bei 50m jedenfalls relativ deutlich unter der Durchgangszeit bei ihrer Bestzeit, für die es am Ende dann aber doch nicht ganz reicht. Aber egal, mit Platz 4 lässt sie wieder einige Konkurrentinnen hinter sich und liegt vor den abschließenden 200m Lagen auf Rang 5 der SMK-Wertung.

Knapp 1 ½ Stunden später ist es wieder soweit – Finalzeit! Reini darf beweisen, dass da tatsächlich noch Luft nach oben ist. Seine Körpersprache strahlt das jedenfalls ganz klar aus, als er die Startbrücke betritt, freiwillig gibt Reini sich nicht geschlagen. Und so geht er das Rennen auch an – 5,7 bei 15m, 10,8 bei 25m. Erst die letzten Meter werden seine Bewegungen etwas schwerfälliger, aber dennoch, in 0:23,92 durchbricht er erstmalig die 24-Sekunden-Marke auf der Langbahn! Ein absolutes Spitzenergebnis, auch wenn er damit die Medaillenplätze um exakt eine einzige Zehntelsekunde verpasst und sich mit Platz 5 zufrieden geben muss; gleichwohl ist damit die Qualifikation für die offenen Deutschen Meisterschaften in knapp 2 Wochen an selber Stelle gesichert!

 5. und letzter Wettkampftag:

Mittlerweile ist eine gewisse physische und mentale Müdigkeit nicht mehr von der Hand zuweisen; bis zu 5 Wettkampftage sind die wenigsten Athleten und auch Trainer gewohnt. Und dennoch stehen insbesondere für Jonas und Sara gerade heute noch die wohl wichtigsten Rennen ihres bisherigen Sportlerlebens an. Doch für Ingolstadt beginnt der Wettkampf zunächst mit dem Start von Raphael über 200m Brust. Dieser kommt aber leider nicht wie gewohnt ins „Rutschen“, es sieht jedenfalls so aus, als ob die gestrige Stadterkundung seine Beine doch mehr belastet, als er selbst erwartet hat. Einmal mehr: schade!

Jonas lässt sich davon jedoch nicht beirren; schon beim Einschwimmen, lässt er sich von nichts ablenken, nimmt vermeintlich jeden Hinweis seines Trainers für bare Münze. Er brennt für seine Chance auf einen Finaleinzug bei den Deutschen und auf seiner Paradestrecke 50m Rücken ist diese größer denn je.  Startsignal und Vollgas! Doch was macht er da? Nach 14 Kicks, einem mehr als gewohnt, durchbricht er erst nach 15,40m die Wasseroberfläche, 40cm weiter getaucht als erlaubt, aber hat ein Kampfrichter das gesehen? Im Ziel: 0:28,40, zeitgleich auf Rang 8! Ein Wahnsinn – ein Ausschwimmen um den Finalplatz oder doch die Disqualifikation?!? Doch dann die Lautsprecherdurchsage und Jonas weiß, er wollte zu viel!

Nur 15 Minuten später geht es trotz diesem Tohuwabohu für Sara um Alles. Für eine Medaille muss sie die direkte Konkurrenz um ca. 3 Sekunden distanzieren. Sie gibt alles, geht schon in der Schmetterlingslage mit Bestzeit an, wendet bei 100m in 1:12,48, bleibt auf der Teilstrecke Brust erstmalig unter 50 Sekunden und steigert ihre Topleistung um sage und schreibe fast 3 Sekunden auf 2:38,93. Und dennoch reicht es nicht ganz, am Ende stehen 2.899 Punkte gegen benötigte 2.937 für die Bronzemedaille, aber Sara hat sich nicht vorzuwerfen und darf definitiv Stolz auf die gezeigten Leistungen sein.

06_17_DJM_IMG_4907_k

Nach vielen Hochs, einigen Tiefs, in jedem Fall aber vielen neuen und inspirierenden Erfahrungen treten schließlich auch die letzten Ingolstädter die Heimreise an und sind sich alle sicher: nächstes Jahr sind wir wieder dabei – dann vielleicht mit etwas mehr Fortune.