Online durch die Krise

Horst Weinholz steht im Klenzepark, vor ihm sein Handy auf einem Stativ. Die Sonne scheint, aber ins Schwitzen käme er wohl auch bei winterlichen Temperaturen: Weinholz führt ein Workout durch, an diesem Tag dreht sich alles um das Thema Beweglichkeit. Für sich allein müht er sich jedoch nicht ab, knapp 30 Leute schauen ihm gerade zu.

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Weinholz ist Trainer beim SC Delphin Ingolstadt. Auf das Schwimmtraining müssen seine Schützlinge und er derzeit wegen des Coronavirus verzichten. „Wir wollen aber natürlich möglichst wenig Rückschritte machen und die Motivation bei unseren Schwimmern beibehalten“, sagt Weinholz. „Der Mensch sollte sich immer bewegen.“ Damit die Fitness nicht allzu sehr unter den Beschränkungen leidet, bietet der Schwimmtrainer seit Anfang April ein Workout-Training an. Immer dienstags und donnerstags um 17 Uhr beginnt auf dem Instagram-Account des SC Delphin ein Live-Video. Die Zuschauer können also, einer konventionellen Einheit ähnlich, die Übungen zeitgleich unter Anleitung von Weinholz mitmachen.

Schon vor seinen Live-Einheiten nahm Weinholz Videos auf und stellte sie seinen Schülern zur Verfügung. „Da konnte ich immer wieder auf ‚Stop’ drücken und neu aufnehmen. Bei den Live-Videos muss ich mich dagegen ganz anders vorbereiten“, erzählt er.

Das Feedback gibt seinem neuen Weg recht: Nicht nur von den eigenen Schülern, sondern auch von einzelnen Schwimmern aus anderen Vereinen kommen positive Rückmeldungen. Mittlerweile überlegt Weinholz sogar, ob er auch nach der Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen mit den Online-Trainingseinheiten weitermachen soll. „Es geht schnell, ist einfach von zu Hause aus durchzuführen und eine ganz simple Anleitung“, sagt er. Der größte Nachteil sei dagegen, dass er die Schüler bei der Ausführung nicht kontrollieren und korrigieren kann.

Für seine Schwimmer gibt es – vergleichsweise altmodisch – zusätzlich Trainingspläne. Der Schwimmtrainer betont aber, dass bei den Live-Videos nicht nur Vereinsmitglieder eingeladen sind mitzumachen. „Viele Übungen können durch leichte Änderungen vereinfacht werden“, sagt Weinholz. „Wichtig ist nur, dass man sich in diesen 30 bis 45 Minuten bewegt.“

Anweisungen vor der Kamera: In Live-Videos erklärt Horst Weinholz Übungen für Schwimmer.

Im Jahr 2019 zählten die deutschen Landessportverbände knapp 24 Millionen Mitglieder in Sportvereinen. Der Sport an sich und die regelmäßige Bewegung sind sicherlich ein Grund für diese große Beliebtheit, doch Sportvereine zeichnen sich auch durch ihre Gemeinschaft aus. Mit der Schließung von Sportanlagen und Vereinsheimen fällt neben dem Sport natürlich auch der soziale Eckpfeiler für die Mitglieder weg. Doch auch bei diesem Problem kommt so mancher Verein auf kreative Lösungen.

Wie die Schwimmer des SC Delphin können die Tischtennisspieler des MTV Pfaffenhofen ihre geliebte Sportart seit Wochen nicht ausüben.Weil sie jedoch auf ihren „eingeschworenen Haufen“ nicht verzichten wollten, ließen sich MTV-Pressewart Jochen Maurer und seine Kollegen so einiges einfallen. Seit Mitte März, also kurz nachdem klar wurde, dass man sich in der Halle so schnell nicht mehr sieht, halten die MTV Tischtennisspieler einen Online-Stammtisch ab.

Zweimal pro Woche ratschen abends mal vier, mal neun Leute per Videoanruf miteinander. Abgesehen davon, dass die Teilnehmer nicht am selben Tisch sitzen, ähnelt der Online-Treff der Tischtennisspieler einem normalen Stammtisch in so mancher Hinsicht: Es gibt einen festen Stamm von Leuten, die meistens dabei sind, es wird über alles Mögliche gesprochen, derzeit aber natürlich vor allem über das aktuelle Geschehen rund um das Coronavirus, „und es kann passieren, dass auch das eine oder andere Bier getrunken wird“, sagt Maurer und lacht.

Für ihn ist es wichtig, dass der Kontakt zu den Kollegen aus der Tischtennisabteilung nicht abreißt. Er erzählt: „Über den Sport sind Freundschaften entstanden und die will man natürlich pflegen. Von daher war das fast schon selbstverständlich, dass wir diesen Chat angefangen haben.“

Neben dem Online-Stammtisch kamen die Tischtennisspieler des MTV Pfaffenhofen auf weitere Ideen, um ihre Gemeinschaft am Laufen zu halten. Ein Trickshot-Wettbewerb wurde ins Leben gerufen, bei dem die Spieler ausgefallene Schläge filmen lassen sollen, auf der Website der Abteilung gab es ein Kreuzworträtsel zu Ostern und alle drei Tage erscheint ein Interview mit einem Mitglied der Abteilung.

Eine eigene „Freizeitgestaltung“ nennt Maurer den Aufwand, mit dem seine Kollegen und er all die Aktionen starten. Gleichermaßen wird aber natürlich auch die Freizeit der anderen Mitglieder gestaltet, die dann etwa die Interviews lesen. So soll die Gemeinschaft innerhalb der Abteilung erhalten bleiben. Am Ende der Krise, glaubt Maurer, freue man sich noch mehr als sonst auf den Sport oder die Leute oder auf eine Kombination aus beidem.

Nach etlichen Übungen ist Schwimmtrainer Weinholz fertig mit seinem Workout. „Ich hoffe, es hat euch Spaß gemacht und ihr seid zufrieden“, sagt er und schnauft erschöpft und mit einem Lächeln im Gesicht in die Kamera. Das Training für diesen Tag ist geschafft. Tischtennisspieler Maurer hat derweil schon das nächste Interview geführt. „Je nachdem, wie lange die Pause dauert, kommt vielleicht jeder aus unserer Abteilung mal dran“, sagt er lachend.

Von Jakob Schätzle